Der gros­se Crash. Haben wir die Finanz­kri­se 2007/08 eigent­lich verstanden?


Im Auf­trag ver­fasst, aber damals — im Janu­ar 2020 — nicht ver­öf­fent­licht, kann der Text für Inter­es­sier­te viel­leicht die Finanz­kri­se etwas ver­ständ­li­cher machen. 

Von Paul Huber

TEIL 1

Die Glo­ba­le Finanz­kri­se der Jah­re 2007/2008 liegt nun schon eini­ge Zeit zurück, aber ihre Aus­wir­kun­gen im wirt­schaft­li­chen wie im poli­ti­schen Bereich sind noch immer prä­sent und beschäf­ti­gen und beun­ru­hi­gen uns wei­ter­hin. Der Wirt­schafts­his­to­ri­ker Adam Too­ze hat dazu ein bemer­kens­wer­tes Buch geschrieben.

Die Aus­wir­kun­gen der Finanz­kri­se 2007/2008 sind bis heu­te zu spü­ren. Doch so gross die Bedeu­tung die­ser Kri­se auch ist, wis­sen ver­mut­lich oft nicht ein­mal Insi­der der Finanz­wirt­schaft so wirk­lich, was damals genau pas­sier­te. Genau dies, eine umfas­sen­de Dar­stel­lung der dama­li­gen Ereig­nis­se, lie­fert der Wirt­schafts­his­to­ri­ker Adam Too­ze in sei­nem aus­ge­zeich­ne­ten Buch Cras­hed – How a Deca­de of Finan­cial Cri­ses Chan­ged the World (2018). Dabei zeigt schon der Plu­ral im Titel, dass Too­ze die Finanz­kri­se nicht als ein auf den Zeit­raum 2007–2008 beschränk­tes Ereig­nis betrach­tet, son­dern als eine Abfol­ge von meh­re­ren ver­bun­de­nen Kri­sen (ein­schliess­lich der Euro-Kri­se), die sich über das fol­gen­de Jahr­zehnt erstreck­ten und die er eben­falls dar­stellt. Zuerst aber gibt Too­ze eine kom­pe­ten­te Dar­stel­lung der Finanz­kri­se selbst, gestützt auf sei­ne aus­ge­zeich­ne­ten finanz- und wäh­rungs­po­li­ti­schen Kenntnisse. 

Die Vor­aus­set­zun­gen der Krise

Ent­ste­hung und Ver­lauf der Finanz­kri­se waren nach Too­ze durch das Zusam­men­wir­ken der fol­gen­den Haupt­ele­men­te bestimmt: Ers­tens die Rol­le des Dol­lars als Welt-Leit­wäh­rung und das gros­se Volu­men an welt­weit ver­füg­ba­ren Dol­lars, Resul­tat der jahr­zehn­te­lan­gen Leis­tungs­bi­lanz­de­fi­zi­te der USA; zwei­tens die immense Aus­wei­tung der inter­na­tio­na­len Finanz­strö­me, deno­mi­niert mehr­heit­lich in Dol­lar, eine Fol­ge der Libe­ra­li­sie­rung der Finanz­märk­te, ihres Wachs­tums und ihrer zuneh­men­den inter­na­tio­na­len Ver­flech­tung; drit­tens die Her­aus­bil­dung gros­ser Pools an Liqui­di­tät von insti­tu­tio­nel­len Anle­gern (Ver­si­che­run­gen, Pen­si­ons­kas­sen, gros­se Ver­mö­gens­ver­wal­ter, glo­ba­le Unter­neh­men), wie­der­um mehr­heit­lich in Dol­lar gehal­ten; vier­tens der Trend zur «Ver­brie­fung» («secu­ri­tiz­a­ti­on») von Kre­di­ten, ins­be­son­de­re von Immo­bi­li­en­kre­di­ten, die aus den Bank­bi­lan­zen in spe­zi­el­le Anla­ge-Vehi­kel über­führt wur­den, deren Antei­le wie­der­um an Inves­to­ren ver­kauft wur­den; und fünf­tens schliess­lich die (mit der Secu­ri­tiz­a­ti­on ver­bun­de­ne) über­mäs­si­ge Aus­wei­tung des Markts für Sub­prime-Hypo­the­ken in den USA.

Gemäss einem IMF Paper von Zol­tan Pos­zar, das auch Too­ze zitiert, lagen Ende der 1990er Jah­re rund 1 Bil­li­on US-Dol­lar – also 1000 Mil­li­ar­den! – in den Cash-Pools gros­ser insti­tu­tio­nel­ler Inves­to­ren, und bis zur Finanz­kri­se ver­dop­pel­te sich die­se Zahl gar. Die­se Mit­tel konn­ten oder woll­ten die Inves­to­ren nicht in lang­fris­ti­ge Papie­re inves­tie­ren; sie woll­ten sie aber auch nicht auf Bank­kon­ti belas­sen, da sie dort durch die Limi­ten der Ein­la­gen­ver­si­che­rung nicht geschützt waren.

Für die Anla­ge die­ser Gel­der kamen nur liqui­de und vor Ver­lust siche­re Papie­re in Fra­ge, idea­ler­wei­se also staat­li­che Wert­pa­pie­re. Im Markt waren jedoch Papie­re des US-Schatz­am­tes oder ähn­li­che staat­lich garan­tier­te Papie­re nicht in genü­gen­der Anzahl vor­han­den, nicht zuletzt weil Chi­na in den Jah­ren vor der Finanz­kri­se sei­ne Export­über­schüs­se dazu ver­wen­det hat­te, rie­si­ge Volu­mi­na an sol­chen US-Titeln auf­zu­kau­fen. Als Alter­na­ti­ve schie­nen sich Wert­pa­pie­re mit ver­brief­ten Immo­bi­li­en­kre­di­ten als siche­res Anla­ge­instru­ment anzubieten. 

Sub­prime — der toxi­sche Teil der «secu­ri­tiz­a­ti­on»

Im Rah­men der «secu­ri­tiz­a­ti­on» wur­den Kre­dit­for­de­run­gen gegen­über Haus­be­sit­zern, Auto­käu­fern oder Stu­di­en­ab­gän­gern von den Ban­ken an Anla­ge-Vehi­kel ver­kauft, die die­sen Kauf ihrer­seits finan­zier­ten durch die Aus­ga­be von Wert­pa­pie­ren (ABS, «asset backed secu­ri­ties»; oder MBS «mor­tga­ge-backed secu­ri­ties», wenn nur Immo­bi­li­en­kre­di­te drin sind, was die Mehr­heit aus­mach­te). Die­se Wert­pa­pie­re wur­den an Inves­to­ren abgegeben . 

Doch die Spi­ra­le dreh­te noch wei­ter: MBS von Kre­di­ten unter­schied­li­cher Boni­tät wur­den wei­ter ver­packt in CMO’s («col­la­te­ra­li­zed mor­tga­ge obli­ga­ti­ons»), manch­mal über meh­re­re Stu­fen. Inner­halb sol­cher Ket­ten von Hypo­the­ken-Port­fo­li­os stell­ten die Sub-Prime-Tran­chen zwar nur einen Teil dar, wäh­rend die gröss­ten Tran­chen Kre­di­te von guter Boni­tät waren. Aber in der Kri­se ver­gif­te­ten die Zwei­fel an den Sub­prime-Tran­chen auch den gan­zen Rest. 

Das Wachs­tum im Sub-Prime-Markt war auf­grund fal­scher Anrei­ze völ­lig aus dem Ruder gelau­fen. Im Jahr 2007 belief sich gemäss Too­ze das Volu­men an ABS, an ver­brief­ten Kre­di­ten aller Art (Immobilien‑, Studien‑, Kreditkarten‑, Auto­kre­di­te) auf rund 5,2 Bil­lio­nen Dol­lar. Davon ent­fie­len auf das gefähr­lichs­te Seg­ment der Sub­prime-Hypo­the­ken 1,3 Bil­lio­nen Dol­lar. Dies ent­sprach zwar «nur» einem Anteil von 12% des gesam­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Immo­bi­li­en­mark­tes, aber die­ses Volu­men war fast gänz­lich innert der kur­zen Zeit­span­ne seit 2003 geschaf­fen worden! 

Es ist einer der Skan­da­le der Finanz­kri­se, und eine ihrer Ursa­chen, dass die Rating-Agen­tu­ren den immer kom­ple­xe­ren Port­fo­li­os von ver­brief­ten Immo­bi­li­en­kre­di­ten in der Regel ein «Trip­le A»-Rating gaben, dank dem sie von Inves­to­ren als «siche­re» Anla­ge betrach­tet wer­den konnten. 

Das gros­se, kom­pli­zier­te Rad der Kre­dit­in­stru­men­te im «shadow ban­king system»

Von den Ban­ken wur­den «spe­cial pur­po­se vehi­cles» (SPV) geschaf­fen, die gros­sen Volu­mi­na an ABS/MBS oder an CMOs über­nah­men und deren Kauf ihrer­seits durch die Aus­ga­be von «asset-backed com­mer­cial papers» (ABCP, d.h. besi­cher­te Schuld­ver­schrei­bun­gen) finan­zier­ten. Die­se ABCP, abge­ge­ben an insti­tu­tio­nel­le Inves­to­ren, hat­ten eine kur­ze Lauf­zeit (in der Regel 3 Mona­te). Damit wie­sen die SPVs eine mas­si­ve Fris­ten­in­kon­gru­enz auf: die lang­fris­ti­gen Anla­gen auf der Aktiv­sei­te waren auf der Pas­siv­sei­te finan­ziert durch kurz­fris­tig lau­fen­de ABCP, deren ste­te Erneue­rung not­wen­dig war («roll-over»). 

Die Ban­ken hiel­ten an den von ihnen geschaf­fe­nen SPV zwar einen Anteil, muss­ten die­sen aber nur mit einem Bruch­teil der Eigen­mit­tel unter­le­gen, der beim Ver­bleib der Kre­di­te in ihren eige­nen Büchern erfor­der­lich gewe­sen wäre (in der Regel 10%). Die Käu­fer der ABCPs setz­ten aber den­noch auf den hin­ter dem SPV ste­hen­den Spon­sor und hiel­ten die­sen als haft­bar für die gesam­ten Ver­bind­lich­kei­ten des SPV. Die Spon­sor-Ban­ken hiel­ten zudem auch in ihren eige­nen Büchern gros­se Volu­mi­na von ABS/MBS bzw. CMOs, die sie eben­falls über kurz­fris­ti­ge Mit­tel finanzierten. 

Von der Gesamt­sum­me von 5,2 Bil­lio­nen Dol­lar an ABS wur­den 2,1 Bil­lio­nen Dol­lar (d.h. etwas über 40%) von kurz­fris­tig ori­en­tier­ten Anle­gern gehal­ten, davon 1,2 Bil­lio­nen via ABCP. 

Wir wol­len die Kom­ple­xi­tät hier nicht noch zusätz­lich erhö­hen, es sei nur erwähnt, dass neben ABCPs auch Geld­markt­fonds («money mar­ket funds») und Repo-Geschäf­te zur kurz­fris­ti­gen Anla­ge von «cash» dienten. 

Die Bil­lio­nen an liqui­den Mit­teln, die in all die­sen kurz­fris­ti­gen Anla­ge­for­men ange­legt waren, lagen nicht bei Ban­ken, dem tra­di­tio­nel­len Ort zur Depo­nie­rung von liqui­den Mit­teln, son­dern aus­ser­halb des Ban­ken­sys­tems – im «shadow ban­king sys­tem». 

Euro­pas Ban­ken dre­hen mit am gros­sen Rad

Nicht nur ame­ri­ka­ni­sche, son­dern auch euro­päi­sche Ban­ken dreh­ten mit am gros­sen Rad des Geschäfts mit ver­brief­ten Immo­bi­li­en­kre­di­ten in den USA. Der gros­se Hub war Lon­don, aber auch klei­ne­re Finanz­plät­ze Euro­pas spiel­ten mit, dar­un­ter Dub­lin, Luxem­burg, Bel­gi­en, die Nie­der­lan­de und die Schweiz (hier vor allem die UBS). Im Jahr 2006, auf dem Höhe­punkt des Booms der Immo­bi­li­en­ver­brie­fun­gen, stamm­te ein Drit­tel der US-ame­ri­ka­ni­schen MBS von euro­päi­schen Ban­ken, und euro­päi­sche Ban­ken waren die «Spon­sors» von rund zwei Drit­teln aller ABCP, ein­schliess­lich von 57% der in Dol­lar deno­mi­nier­ten ABCP (die etwas über 70% aller ABCP ausmachten). 

Da euro­päi­sche Ban­ken kei­ne nen­nens­wer­ten eige­nen Kun­den­ein­la­gen in US-Dol­lar hat­ten, mit denen sie die­ses Geschäft hät­ten finan­zie­ren kön­nen, besorg­ten auch sie sich die Dol­lars bei den insti­tu­tio­nel­len Liqui­di­täts-Pools, als kurz­fris­ti­ge Mittel. 

Die Finanz­kri­se – eine Ver­trau­ens­kri­se im Geldmarkt

2006 zeig­ten sich ers­te Pro­ble­me im US-Immo­bi­li­en­markt; die sich ein­trü­ben­de Kon­junk­tur bewirk­te rück­läu­fi­ge Haus­prei­se und stei­gen­de Zah­lungs­aus­fäl­le, der Kurs­wert der MBS (CMOs sind hier immer mit­zu­den­ken) sank. Im Som­mer 2007 schlu­gen die Pro­ble­me defi­ni­tiv durch. Die Markt­teil­neh­mer began­nen an der Boni­tät der MBS zu zwei­feln. Ohne Trans­pa­renz dar­über, wo wie­viel Sub­prime drin war, brach das Ver­trau­en in die MBS gene­rell ein. Papie­re im Betrag von Mil­li­ar­den, ja Bil­lio­nen Dol­lars, die als sicher gegol­ten hat­ten, wur­den plötz­lich als toxisch betrach­tet. Und aus jenem Teil des Geld­markts, der sich aus­ser­halb des Ban­ken­sys­tems befand, schlug der Ver­trau­ens­ver­lust zurück auf die Ban­ken. Die Abwärts­spi­ra­le hat­te begonnen. 

Bei schwin­den­dem Ver­trau­en führ­te die Fris­ten-Inkon­gru­enz zu einer fata­len Ket­ten­re­ak­ti­on: Fand kein Roll-over statt und wur­den die kurz­fris­ti­gen Mit­tel abge­zo­gen, führ­te dies zum Zwang, MBS-Papie­re zu ver­kau­fen, um die Inves­to­ren aus­zah­len zu kön­nen. Da aber gera­de die sin­ken­den Kur­se der MBS der Grund gewe­sen waren für das ange­schla­ge­ne Ver­trau­en, fan­den sich kei­ne Käu­fer mehr für die­se Titel, deren Kurs somit wei­ter in den Kel­ler fiel, ja der Markt fror recht eigent­lich ein. Ange­sichts der Ent­wer­tung ihrer Akti­ven (der Immo­bi­li­en­kre­di­te) und dem Schrump­fen ihrer Pas­si­ven (auf­grund der Geld­ab­zü­ge der Anle­ger) wur­den Ban­ken wie auch SPVs (und rück­wir­kend wie­der­um deren haft­bar gemach­te Spon­sor-Ban­ken) schnell nicht nur illi­quid, son­dern über­schul­det und insol­vent. Aber auch den insti­tu­tio­nel­len Inves­to­ren, die ihre ABCP und ähn­li­chen Papie­re nicht recht­zei­tig hat­ten abstos­sen kön­nen, droh­ten rie­si­ge Ver­lus­te, wenn nicht der Total­ver­lust ihrer Gel­der, mit wei­te­ren schock­ar­ti­gen Rück­wir­kun­gen auf die Wirt­schaft. Mil­li­ar­den, ja Bil­lio­nen an Gel­dern stan­den im Risi­ko. Dies erklärt auch die astro­no­mi­schen Sum­men der Ret­tungs­pa­ke­te, wel­che die Zen­tral­ban­ken und Regie­run­gen in der Fol­ge bereit­stel­len muss­ten, um einen tota­len Zusam­men­bruch zu verhindern. 

Nach­dem ers­te Ban­ken durch Zwangs-Fusio­nen oder Ver­staat­li­chung geret­tet wor­den waren, kam es im Sep­tem­ber 2008 zum Kon­kurs der Invest­ment­bank Leh­man Bro­thers. Damit waren die Däm­me gebro­chen. Jeder­zeit konn­ten eine oder meh­re­re wei­te­re Ban­ken in Kon­kurs gehen, das Ver­trau­en aller Markt­teil­neh­mer war ver­schwun­den, der Inter­ban­ken-Markt, in dem sich Ban­ken für ihr Liqui­di­täts-Manage­ment kurz­fris­tig gegen­sei­tig Geld aus­lei­hen, brach zusam­men, die Ban­ken depo­nier­ten ihre Liqui­di­tät lie­ber bei der Noten­bank, als sie einer ande­ren Bank anzu­ver­trau­en, wo die Mit­tel mor­gen schon in einem Bank­rott ver­lo­ren gehen und in der Kon­kurs­mas­se ver­schwin­den könnten. 

Zen­tral­ban­ken und Staa­ten als Retter

Die not­wen­di­ge mas­si­ve Zufüh­rung von liqui­den Mit­teln konn­te in die­sem kri­ti­schen Moment nur durch die Noten­ban­ken erfol­gen, dem «len­der of last resort». Das Geschäft aber, das hier in Fra­ge stand, war in Dol­lars deno­mi­niert, und unbe­grenzt Dol­lars lie­fern konn­te nur das ame­ri­ka­ni­sche Fed – was es auch tat, nicht nur an die US-Ban­ken, son­dern auch an die Ban­ken in Euro­pa, via die wich­tigs­ten Zen­tral­ban­ken (Swap-Lini­en des Fed bestan­den u.a. mit der EZB, der Bank of Eng­land und der Schwei­ze­ri­schen Natio­nal­bank). Auch wenn vie­le Euro­pä­er die Illu­si­on hat­ten, die Sub­prime-Kri­se sei allein ein US-Pro­blem, so sagt die Wirk­lich­keit etwas ande­res. Das Fed wur­de zum «len­der of last resort» auch der euro­päi­schen Ban­ken, ja des gesam­ten glo­ba­len Finanzsystems. 

Das Fed han­del­te dabei kei­nes­wegs selbst­los. Hät­ten die euro­päi­schen Ban­ken, um sich Dol­lars zu beschaf­fen, ihre Ver­mö­gens­wer­te in den USA abzu­stos­sen ver­sucht, hät­te dies zu einem wei­te­ren Preis­zer­fall bei­getra­gen und US-Ban­ken ins Tau­meln brin­gen können . 

Das Fed konn­te zwar unbe­grenz­te Liqui­di­tät in Dol­lars lie­fern, aber vie­le Ban­ken muss­ten auf­grund ihrer Über­schul­dung gleich­zei­tig reka­pi­ta­li­siert wer­den, um das ver­nich­te­te Eigen­ka­pi­tal zu erset­zen und ihren Kon­kurs zu ver­hin­dern. Pri­va­te Anle­ger waren dazu nicht bereit. Hier spran­gen die Staa­ten ein, indem sie direkt Aktio­nä­re von Ban­ken wur­den (wie in der Schweiz bei der UBS), wobei vie­le Ban­ken sogar zu 100% ver­staat­licht wer­den mussten. 

Zudem wur­den die Ban­ken ent­las­tet, indem ihnen rie­si­ge Port­fo­li­os von Titeln, die im Moment unver­käuf­lich waren (zu wel­chem Preis auch immer), durch den Staat bzw. die Zen­tral­ban­ken abge­nom­men wur­den (auch dies gehör­te in der Schweiz zum Ret­tungs­pa­ket für die UBS, wobei die Natio­nal­bank die­se Titel spä­ter mit Gewinn wie­der ver­kau­fen konn­te, wie auch der Bund sei­ne Akti­en­be­tei­li­gung an der UBS spä­ter mit Gewinn wie­der ver­kau­fen konnte). 

Mit Iro­nie und Sar­kas­mus weist Too­ze hin auf das immense Para­dox, dass eine Finanz­welt, die lau­fend das Man­tra von der Effi­zi­enz der frei­en Märk­te gesun­gen hat­te, nur durch mas­si­ve staat­li­che Aktio­nen und unter Auf­bie­tung über­mäs­si­ger Res­sour­cen geret­tet wer­den konnte. 

Ziel der kom­bi­nier­ten Ret­tungs­mass­nah­men war es, den Kol­laps des glo­ba­len Finanz­sys­tems und eine Depres­si­on à la Dreis­si­ger Jah­re – mit Fir­men­bank­rot­ten, Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit, Defla­ti­on, usw. – zu ver­mei­den. Dies war gelun­gen, aber eine Rezes­si­on konn­te nicht ver­hin­dert wer­den. Und in Euro­pa erhielt die Rezes­si­on noch einen zusätz­li­chen Schub durch die nach­fol­gen­de Euro-Krise. 

TEIL 2

Ban­ken­ret­tung und Aus­teri­tät. Poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Bruch­li­ni­en wäh­rend und nach der Finanzkrise.

Beim Amts­an­tritt der Regie­rung Oba­ma anfangs 2009 war die eigent­li­che Finanz­kri­se durch die staat­li­chen Ret­tungs­ak­tio­nen tech­nisch weit­ge­hend bewäl­tigt. Ihre tief­ge­hen­den Aus­wir­kun­gen waren damit aber bei wei­tem noch nicht zu Ende. Auch die­sen Teil ihrer Wir­kung deckt der Wirt­schafts­his­to­ri­ker Adam Too­ze in sei­nem gros­sen Buch zur Glo­ba­len Finanz­kri­se («GFC») ab.

Die Finanz­kri­se war nach Too­ze in ihrer Aus­prä­gung und in ihrem Ablauf ein Pro­dukt einer neu­en Welt der inter­na­tio­na­len Finanz­strö­me, die nur noch wenig zu tun hat­te mit der Finanz­ord­nung, wel­che nach dem Zwei­ten Welt­krieg unter dem Bret­ton Woods-Sys­tem geherrscht hat­te. Damals hat­ten sich Zah­lungs­bi­lanz-Ungleich­ge­wich­te noch pri­mär erge­ben als Resul­tat der Han­dels- und Dienst­leis­tungs­bi­lanz eines Lan­des. Die inter­na­tio­na­len Finanz­strö­me waren stark begrenzt durch Kapi­tal­ver­kehrs­kon­trol­len und ande­re Mass­nah­men, und sie waren in ihrer Rich­tung und in ihrem Volu­men haupt­säch­lich bedingt durch die real­wirt­schaft­li­chen bzw. aus­sen­wirt­schaft­li­chen Entwicklungen. 

Dies änder­te sich in der Zeit nach dem Zusam­men­bre­chen des Bret­ton Woods-Sys­tems im Jah­re 1971. Han­dels- und Dienst­leis­tungs­bi­lanz spiel­ten in die­ser Nach-Bret­ton Woods-Ära zwar noch immer eine Rol­le, ihre Effek­te aber wur­den durch die Finanz­strö­me mas­siv ver­stärkt. Und die Finanz­strö­me bewe­gen sich teil­wei­se auch unab­hän­gig von real­wirt­schaft­li­chen Grössen. 

Die GFC — eine «nord­at­lan­ti­sche» Krise

Too­ze nennt die Finanz­kri­se eine eigent­lich «nord­at­lan­ti­sche Kri­se». Die Kri­se brach zwar in den USA aus, aber Euro­pa war stark invol­viert, nicht nur als unschul­di­ges Opfer, son­dern als Mit­be­tei­lig­ter. Die Ret­tungs­mass­nah­men wur­den denn auch zwi­schen den füh­ren­den Staa­ten und Finanz­zen­tren der USA und Euro­pas orches­triert und koor­di­niert. Glo­bal war die Kri­se jedoch, weil sie in ihren Aus­wir­kun­gen auch alle ande­ren Staa­ten und Kon­ti­nen­te betraf (ein­ge­hen­der beschreibt Too­ze die indu­zier­ten Kri­sen, die Ost­eu­ro­pa und Russ­land heimsuchten). 

Wo Too­ze Kri­tik übt an den getrof­fe­nen Mass­nah­men, trifft die­se vor allem die Insti­tu­tio­nen in Euro­pa, wäh­rend er die Aktio­nen der US-ame­ri­ka­ni­schen Insti­tu­tio­nen eher posi­tiv sieht. Die­se sei­en zwar auch krass zuguns­ten der Ban­ken und zulas­ten der Beschäf­tig­ten und Haus­ei­gen­tü­mer gegan­gen, aber sie sei­en in ihrer Wir­kung zumin­dest effi­zi­ent gewe­sen, um die Ban­ken zu ent­schul­den und die Wirt­schaft wie­der anzu­kur­beln. Bei der Beschrei­bung der raschen und ent­schie­de­nen Reak­tio­nen der Ent­schei­dungs­trä­ger in den USA (v.a. Bern­an­ke, Paul­son, Geith­ner) kann Too­ze manch­mal sei­ne sicht­li­che Bewun­de­rung für die Kom­pe­tenz und das drauf­gän­ge­ri­sche Han­deln der füh­ren­den Per­so­nen nicht ver­ber­gen, wäh­rend er die oft ver­zö­ger­ten und unent­schie­de­nen Reak­tio­nen der euro­päi­schen Poli­ti­ker und Behör­den (in der Regel «too litt­le, too late») viel­fach mit Iro­nie beschreibt. 

Die USA besas­sen gut ein­ge­spiel­te, in ihrer Funk­ti­on und Kom­pe­tenz bewähr­te Insti­tu­tio­nen, wäh­rend in Euro­pa die Ent­schei­dungs­we­ge auf­grund des Feh­lens einer bevoll­mäch­tig­ten zen­tra­len Stel­le und der Unge­reimt­hei­ten in der Kon­struk­ti­on der erst neu gebil­de­ten Wäh­rungs­uni­on unklar und noch nicht ein­ge­spielt waren. 

Die Finanz­kri­se und China

Tooze’s Beschrei­bung der Ret­tungs­ak­tio­nen, bei denen oft innert Stun­den oder Tagen Ret­tungs­pa­ke­te mit vor­mals als astro­no­misch emp­fun­de­nen Beträ­gen aus­ge­ar­bei­tet, struk­tu­riert und umge­setzt wer­den muss­ten, liest sich stel­len­wei­se wie ein rasan­ter Kri­mi vol­ler Sus­pen­se und ist gespickt mit dra­ma­ti­schen Anek­do­ten und span­nen­den Hin­ter­grund-Infor­ma­tio­nen. So bestand zum Bei­spiel in den USA wäh­rend des Höhe­punkts der Finanz­kri­se die Angst, dass Chi­na sei­ne rie­si­gen Bestän­de an ame­ri­ka­ni­schen Staats­an­lei­hen auf den Markt wer­fen könn­te, was zu deren wei­te­ren Kurs­zer­fall und zum tota­len Zusam­men­bruch des US-ame­ri­ka­ni­schen Finanz­sys­tems hät­te füh­ren kön­nen. Wäh­rend Finanz­mi­nis­ter Hank Paul­son im Par­la­ment, das sich zier­te, tage­lang um die Bewil­li­gung der astro­no­mi­schen Ret­tungs-Sum­men kämpf­te, soll er jeden Tag sei­ne chi­ne­si­schen Kon­takt­per­so­nen am Tele­fon beru­higt haben, dies sei bloss das übli­che poli­ti­sche Thea­ter, die Bewil­li­gung wer­de schon kom­men, der Erhalt des Werts der von ihnen gehal­te­nen Papie­re sei folg­lich gesichert. 

Aber Chi­na half den west­li­chen Indus­trie­län­dern nicht nur mit sei­nem Ver­zicht, durch das Abstos­sen der ame­ri­ka­ni­schen Schatz­an­lei­hen die USA und Euro­pa noch wei­ter in die Kri­se zu stür­zen: Chi­na trug viel­mehr mass­geb­lich dazu bei, einen wei­te­ren Absturz der Kon­junk­tur in den USA und in Euro­pa zu ver­hin­dern, indem es sei­ner­seits ein gros­ses Aus­ga­ben­pro­gramm lan­cier­te, das die Export­in­dus­trien der USA und Euro­pas stütz­te. In Euro­pa pro­fi­tier­te davon ins­be­son­de­re auch die deut­sche Export­wirt­schaft (Autos und ande­re Güter), was sich Deutsch­land ger­ne als sein eige­nes Ver­dienst als «Export-Welt­meis­ter» anrech­ne­te – und was in der Euro-Kri­se mit dazu bei­trug, dass Deutsch­land mit Her­ab­las­sung und Unver­ständ­nis auf die Pro­ble­me der süd­eu­ro­päi­schen Län­der blickte. 

Von der Finanz­kri­se zur Euro-Kri­se 2009–2012

Die durch die Finanz­kri­se aus­ge­lös­te Rezes­si­on wirk­te sich in Euro­pa in einem Umfeld aus, das durch die vor­an­ge­gan­ge­ne Ein­füh­rung des Euro geprägt war. 

Die Ein­füh­rung des Euro hat­te im Euro-Raum zur Ver­nach­läs­si­gung von län­der­spe­zi­fi­schen Risi­ken geführt. Für die wirt­schaft­lich schwa­chen Euro-Län­der bestan­den die­sel­ben güns­ti­gen Finan­zie­rungs­kon­di­tio­nen wie für die wirt­schaft­lich star­ken Län­der, und da inner­halb des Euro-Raums auch das Wech­sel­kurs­ri­si­ko weg­ge­fal­len war, kam es zu einem star­ken Anstieg der grenz­über­schrei­ten­den Finanz­strö­me inner­halb des Euro-Raums, vor allem in Rich­tung der ärme­ren Staa­ten. Dies hat­te in Län­dern wie Irland und in den süd­eu­ro­päi­schen Län­dern zu einem Boom geführt, der jedoch auf töner­nen Füs­sen stand, da die Inves­ti­tio­nen nicht immer in lang­fris­tig wirk­sa­me wirt­schaft­li­che Pro­jek­te gin­gen, son­dern zum Bei­spiel in Spa­ni­en in einen auf­ge­bläh­ten Immo­bi­li­en­markt oder in Grie­chen­land in erhöh­te Aus­ga­ben des Staa­tes (und damit letzt­lich in erhöh­te Kon­sum­aus­ga­ben). Finan­ziert wur­de die­ser Boom zum einen durch die loka­len Ban­ken, zum andern aber auch durch nord­eu­ro­päi­sche Banken. 

Auf töner­nen Füs­sen – die euro­päi­schen Ban­ken post-GFC

Wäh­rend in den USA auf mas­si­ven Druck der Behör­den die Ban­ken rasch und reso­lut ent­schul­det und ihre Eigen­mit­tel gestärkt wor­den waren, setz­ten die Euro­pä­er ent­spre­chen­de Mass­nah­men zöger­li­cher durch (die Schweiz und ihre Ret­tung der UBS wird bei Too­ze als Aus­nah­me erwähnt für ein frü­hes und beherz­tes Durch­grei­fen). Als Fol­ge waren die Ban­ken in Euro­pa noch längst nicht wie­der in robus­ter Form, als die Euro-Kri­se aus­brach, die im Grun­de eine Staats­schul­den­kri­se war. 

Nicht nur waren die euro­päi­schen Ban­ken hin­sicht­lich ihrer Eigen­mit­tel noch nicht voll gestärkt, sie waren auf der Pas­siv­sei­te auch wei­ter­hin stark abhän­gig von kurz­fris­ti­gen Mit­teln, und auch ihre Aus­lei­hun­gen hat­ten eine gefähr­li­che Form ange­nom­men. Tat­säch­lich hat­ten die Ban­ken der Euro-Zone die reich­li­che Liqui­di­tät, die ihnen die EZB zur Ver­fü­gung gestellt hat­te, aus­gie­big für den Erwerb von Staats­an­lei­hen der Euro-Län­der genutzt. Die­se Titel gal­ten als risi­ko­frei und muss­ten von den Ban­ken mit kei­nen Eigen­mit­teln unter­legt wer­den, gleich­gül­tig, ob es eine Anlei­he von Grie­chen­land war oder eine deut­sche Staatsanleihe. 

Damit hat­te sich bei den Ban­ken der Euro-Zone ein neu­er Gefah­ren­herd auf­ge­baut: die Abhän­gig­keit von der Boni­tät der Staats­an­lei­hen, die sie in ihren Büchern hiel­ten – der soge­nann­te «doom loop». Jede Ver­schlech­te­rung in der Bewer­tung der Staats­an­lei­hen muss­te zu einer Wert­ver­min­de­rung der Akti­ven in der Bank­bi­lanz füh­ren, was die Soli­di­tät der Ban­ken, die sich noch kaum von der Finanz­kri­se erholt hat­ten, erneut bedroh­te, und womit die Not­wen­dig­keit neu­er staat­li­cher Bei­hil­fen drohte. 

Die Euro-Kri­se – Staats­schul­den und Austerität

Welt­weit hat­ten die mas­si­ven staat­li­chen Ein­grif­fe die öffent­li­chen Haus­hal­te belas­tet, und noch war längst nicht klar, ob die ein­ge­setz­ten öffent­li­chen Mit­tel voll wir­ken und je ganz zurück­ge­won­nen wür­den (was spä­ter sowohl in der Schweiz wie in den USA zu mehr als 100% geschah, also mit einem Gewinn, aber sonst nicht in allen Län­dern in glei­cher Form). Umso auf­ge­brach­ter reagier­te die öffent­li­che Mei­nung, als die ers­ten Fäl­le auf­tra­ten, wo Ban­ken trotz ihrer mas­si­ven Ver­lus­te und staat­li­cher Bei­hil­fen dar­auf bestan­den, ihren Kadern einen Bonus aus­zah­len zu müs­sen, um sie nicht zu ver­lie­ren — wäh­rend gleich­zei­tig Mil­lio­nen Men­schen unter der durch die Finanz­kri­se aus­ge­lös­ten Rezes­si­on litten. 

Immer­hin etwas abge­mil­dert wur­den die sozia­len Aus­wir­kun­gen der Rezes­si­on durch die soge­nann­ten «auto­ma­ti­schen Sta­bi­li­sa­to­ren», die gesetz­lich fest­ge­leg­ten sozia­len Aus­ga­ben wie Arbeits­lo­sen­gel­der und ähn­li­ches (die es ver­gleich­bar in den Dreis­si­ger Jah­ren nicht gege­ben hat­te). Aber für die Betrof­fe­nen war die Rezes­si­on den­noch dramatisch. 

In allen euro­päi­schen Län­dern stieg die Staats­ver­schul­dung infol­ge der Ret­tungs­mass­nah­men und der wirt­schaft­li­chen Rezes­si­on (erhöh­te Sozi­al­aus­ga­ben, sin­ken­de Steu­er­ein­nah­men), ja in eini­gen Län­dern explo­dier­te sie gera­de­zu. Dies führ­te zu einem mas­si­ven Anstieg der Zin­sen, wel­che die­se Län­der für neue Staats­an­lei­hen zu zah­len hat­ten — wenn sie nicht schlicht gar kei­ne Kre­di­te mehr erhiel­ten. Betrof­fen war zum Bei­spiel Irland. Das Land hat­te die über­schul­de­te Anglo Irish Bank im Jah­re 2009 ver­staat­licht, und Bank und Staat, bei­de über­schul­det, waren nun im typi­schen «doom loop» gefan­gen und zogen sich gegen­sei­tig in den Abgrund. Im Früh­jahr 2010 wur­den die Kos­ten für die Reka­pi­ta­li­sie­rung der Anglo Irish Bank auf 34 Mrd. Euro geschätzt, mehr als die gesam­ten Steu­er­ein­nah­men des Lan­des im Jah­re 2010! In der Fol­ge muss­te Irland die Kos­ten nicht allei­ne schul­tern, son­dern erhielt Unter­stüt­zung von der EU und vom IMF, aber um den Preis eines dras­ti­schen Sanie­rungs­pro­gramms, das dem Land auf­ge­zwun­gen wurde. 

Gleich­zei­tig ertön­te auf­grund der zuneh­men­den Staats­ver­schul­dung auch immer stär­ker der Ruf nach «Aus­teri­tät», vor allem sei­tens der nord­eu­ro­päi­schen Euro-Län­der, die Ret­tungs­pa­ke­te für not­lei­den­de Euro-Län­der im Süden nur mit stren­gen Aus­teri­täts-Auf­la­gen akzeptierten. 

Irland, Grie­chen­land, Spa­ni­en und Por­tu­gal waren die Län­der, die am meis­ten unter der Rezes­si­on «post-GFC» lit­ten und deren Staatschul­den eine untrag­ba­re Dimen­si­on ange­nom­men hat­ten. Die ton­an­ge­ben­den Euro-Län­der waren jedoch gegen einen teil­wei­sen Schul­den­er­lass für Grie­chen­land oder die ande­ren Län­der, vor­der­grün­dig aus Angst vor einer Schwä­chung oder gar einem Aus­ein­an­der­bre­chen des Euro, hin­ter­grün­dig aber auch aus Angst um die eige­nen Ban­ken, wel­che Anlei­hen der not­lei­den­den Staa­ten in ihren Büchern hiel­ten. Dies betraf vor allem die Ban­ken Frank­reichs, Deutsch­lands und der Niederlande. 

Statt­des­sen wur­den den über­schul­de­ten Län­dern aggres­si­ve Spar­mass­nah­men auf­ge­bür­det, wel­che zu tie­fen sozia­len Ver­wer­fun­gen führ­ten. Zwar muss­te Grie­chen­land spä­ter trotz­dem ein Tei­ler­lass der Schul­den gewährt wer­den, aber die euro­päi­schen Ban­ken wur­den dabei geschützt, sofern sie die Zeit seit Beginn der Euro-Kri­se nicht eh schon genutzt hat­ten, um ihre Enga­ge­ments in Grie­chen­land abzu­bau­en und sie unter ande­rem an die EZB wei­ter zu reichen (!). 

Ins­ge­samt urteilt Too­ze ver­nich­tend über die nach sei­ner Mei­nung fal­schen Ent­schei­de in der Euro-Kri­se, die Mil­lio­nen von Men­schen in eine schlim­me Rezes­si­on war­fen – nach Too­ze eines der schlimms­ten selbst zuge­füg­ten wirt­schaft­li­chen Desas­ter der Welt (sie­he dazu auch einen frü­he­ren GdG-Text). Und die Tat­sa­che, dass Grie­chen­land, des­sen Wirt­schaft nur 1 bis 1,5% des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts der EU aus­mach­te, zum Angel­punkt die­ses Desas­ters wur­de, ver­leiht der Geschich­te Euro­pas in sei­nen Augen einen Dreh zur bit­te­ren Karikatur. 

Too­ze betrach­tet die Finanz­kri­se als einen wich­ti­gen Moment für den Nie­der­gang Euro­pas und für des­sen zuneh­men­de wirt­schaft­li­che und geo­po­li­ti­sche Mar­gi­na­li­sie­rung in den sich her­aus­bil­den­den neu­en geo­stra­te­gi­schen Rea­li­tä­ten. Eben­so sieht er die Finanz­kri­se und die ent­schei­den­de Rol­le, die Chi­na dar­in als Sta­bi­li­sa­tor spiel­te, als wich­ti­gen Moment für die neue Bedeu­tung Chi­nas in der Welt. 

Die Zen­tral­ban­ken post-GFC: wie weiter?

Too­ze unter­streicht mehr­mals die Rich­tig­keit der mas­si­ven Ein­grif­fe der Noten­ban­ken, ein­schliess­lich der expan­si­ven Geld­po­li­tik («quan­ti­ta­ti­ve easing»), um eine noch tie­fer gehen­de Rezes­si­on à la Dreis­si­ger Jah­re zu ver­mei­den. Aber schwer war die Rezes­si­on trotz­dem, und aus ihr erklärt Too­ze denn auch das Auf­kom­men popu­lis­ti­scher Bewe­gun­gen in Euro­pa und in Ame­ri­ka, genährt durch die Unzu­frie­den­heit brei­ter Schich­ten über die Ver­schlech­te­rung ihrer wirt­schaft­li­chen Lage.

Eine Pro­gno­se über die Zukunft darf man auch von einem bril­lan­ten His­to­ri­ker nicht erwar­ten, wo doch schon pro­fes­sio­nel­le Öko­no­men und Wirt­schafts­pro­gnos­ti­ker dies­be­züg­lich kläg­lich ver­sa­gen. Aber als Leser stellt man sich zum Schluss den­noch die ban­ge Fra­ge, die beid­seits des Atlan­tiks heu­te gestellt wird, näm­lich wie die Noten­ban­ken der USA und Euro­pas aus ihrer expan­si­ven Geld­po­li­tik – mit der dies­seits des Atlan­tiks ja auch die Nega­tiv­zins­po­li­tik ver­bun­den ist — wie­der her­aus­fin­den sol­len. Man kann nur hof­fen, dass sich hier nicht die nächs­te Kri­se aufbaut. 

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